Der heutige Artikel soll einen Perspektivwechsel auf das ermöglichen, was viele davon abhält, in die überfällige Veränderung und damit aus dem systematischen Unglück zu kommen, das zum Beispiel mit dem „falschen“ Partner oder der „falschen“ Anstellung einhergeht.
Ich setze das „falsch“ in Häkchen, denn da wir systemischen Konstruktivisten davon ausgehen, dass wir alle uns unsere Wahrheit konstruieren und das meiste gar nicht so sehr objektive Wahrheit ist, wie es manchmal zu sein scheint, so gehen wir lieber von Begriffen wie mehr oder weniger nützlich oder zieldienlich aus.
Was hält Menschen also scheinbar so oft davon ab in die eigene Erfüllung zu kommen?
Die Sicherheit !
Oder sollte ich besser sagen, die vermeintliche Sicherheit? Warum stellen so viele Sicherheit über eine Chance auf Lebensglück und Gesundheit? Und was überhaupt diese vermeintliche Sicherheit?
Gerade in diesem so verrückten Jahr 2020 begegnet man immer wieder dem Zitat
„Wer Sicherheit über Freiheit stellt, wird am Ende beides verlieren.“
Hier möchte ich anknüpfen und von Gesprächen mit zahlreichen Klienten erzählen, die eine Veränderung bitte nötig hätten, da der Berufsalltag sie förmlich krankgemacht hat oder sie noch immer kurz davorstehen, in einen seelischen oder anderen gesundheitlichen Abgrund zu stürzen.
Muss es wirklich so weit kommen?
Diese Frage stellte ich mir im Gespräch mit jemandem, der schon diverse körperliche wie seelische Krankheitssymptome aufgrund des beruflichen Leids entwickelt hatte, als dieser mir zum widerholten Male versicherte:
„Ich kann nicht kündigen. Mein Sicherheitsbedürfnis ist zu groß“
Übersetzt habe ich verstanden
„Ich kann nicht kündigen ich bin abhängig“
Aus meiner Sicht halte ich es für nützlicher an erster Stelle mal die Situation umzudeuten in
Ich traue mich noch nicht zu kündigen, dennes erscheint mir als sei ich abhängig“.
Zwar hat sich durch die neue Bewertung der Situation noch nicht viel geändert aber zumindest lässt die neue Sicht zu, dass es auch anders sein könnte und eröffnet somit Mut machende Handlungsspielräume.
Jeder Vertriebler wird euch übrigens bestätigen, dass ein Nein immer nur bedeutet „so nicht oder noch nicht“.
Ich konfrontierte meinen Klienten also mit der Frage, ob mit „Sicherheit“ einzig und allein die Überweisung des Arbeitgebers gemeint sei. Auch schilderte ich meine Sicht, dass Sicherheit aus meiner Wahrnehmung auch bedeuten könne, mit Sicherheit in den gesundheitlichen Abgrund zu stürzen, wenn nichts unternommen wird.
Wie sicher wäre es also – so fragte ich – beim bisherigen Arbeitgeber zu bleiben und mit offenen Augen ins gesundheitliche Verderben zu rennen. Monatlicher Gehaltseingang hin oder her. Im Krankenhaus am Tropf liegend kommt das Gehalt nach 6 Wochen nicht mehr vom Arbeitgeber. Da zahlt dann die Krankenversicherung. Auch so viel ist innerhalb der gesetzlichen KV „sicher. Was ist also mit diesem sicher gemeint?
Viele, die sich in ihrer Karriereplanung mit dem Thema Selbstständigkeit auseinandersetzen, finden es mutig, diesen Schritt zu gehen, weil man doch so viel Sicherheit aufgäbe. Dazu möchte ich ein paar Fragen stellen:
- Können Ihr mit Sicherheit sagen, dass Ihr in Eurer Anstellung unter den jetzigen Rahmenbedingungen und Eurem Chef gesund bleibt?
- Ist das also sicher auch wenn der Arbeitgeber Monat für Monat pünktlich überweist?
- Wer in unseren deutschen Konzernen fühlt sich 2020 in Kurzarbeit sicher auch wenn er Teil des Betriebsrats oder einer Gewerkschaft ist?
Tausende Betriebe werden geschlossen. Die größten uns ein Leben lang begleitenden Warenhausketten vermelden Schließungen. Unser Kranich, die Lufthansa, schickt Menschen in Kurzarbeit und benötigt Staatshilfe.
Wo ist jetzt diese Sicherheit?
Hat uns das „Corona Jahr“ nicht gelehrt, dass wirklich gar nichts sicher ist, auch wenn es so scheint?
Ich kann nur eines aus meiner Erfahrung sagen. Sicher ist nur eines und das ist die Veränderung.
Für den Moment davon ausgehend, dass meine These stimmt, möchte ich etwas beleuchten, dass viele trotzdem veranlasst, wie gelähmt in ihrer zehrenden Situation zu verharren.
Die Angst vor der Angst
Dazu ein Bildnis, dass mir hier in den Sinn kommt.
Zwei Sträflinge – ich nenne sie Harry und Joe – unterhalten sich auf dem täglichen Hofgang. Beide erwartet in etwa dieselbe Zeit, welche sie noch in der JFA verbüßen müssen. Harry fällt dabei aber immer wieder auf, dass sein „Kollege“ Joe deutlich besser mit der Situation unter den verhängten Strafmaßnahmen zurecht zu kommen scheint.
Er fragt sich nun schon seit Wochen, wie das sein kann, wo doch beide unter den identischen Bedingungen leben. Eines Vormittages ist es wieder so weit. Beide unterhalten sich beim Hofgang und Harry berichtet Joe ein weiteres Mal, dass er an der Haft zu zerbrechen drohe und den Freiheitsentzug nicht mehr aushalte. Da geschieht jedoch etwas, dass eine schlagartige Wende mit sich bringen könnte. Wie durch ein Wunder eröffnet Joe seinem Kumpanen Harry, dass er einen sehr sicheren Ausbruchsplan erarbeitet habe, der ihnen beiden eine neu gewonnene Freiheit bedeuten könnte. Sichtlich überzeugt von seinem Plan schildert Joe in allen Farben und Details wie und warum der Ausbruch einfach gelingen muss. Joes Gesicht verrät beim Sprechen nicht nur, dass es ihm ernst ist. Nein, es verrät vielmehr noch, dass er wirklich an die Wirksamkeit des Vorhabens glaubt. Überzeugender, so denkt sich Harry, könne ein Vortrag kaum sein.
Doch nun erhält die Geschichte eine traurige Wende, denn nach kurzem Überlegen beichtet Harry Joe, dass er in keinem Fall am Ausbruchsversuch teilhaben könne. Auf die Fragen „warum“, muss Harry keinen Moment zögern und erwidert ehrlich:
„Das geht nicht. Am Ende buchten sie mich noch ein!“
Im Grunde möchte ich diese Geschichte so stehen lassen und nur noch ein Gleichnis von Kafka ergänzen, der in einem seiner Texte schrieb.
„Die Probleme des Menschen sind oft wie ein Gefängnis, dessen Gitterstäbe so weit auseinander stehen, dass man nur hindurchgehen müsste um in Freiheit zu gelangen. Aber die Menschen tun es nicht. Weil sie sich in Freiheit nicht auskennen“.
Daraus lerne ich immer wieder folgendes und habe die Befürchtung, dass es sehr vielen Menschen so geht.
Die Gewissheit etwas scheinbar zu ertragen können ist weniger schlimm als das Unbekannte. Viele meinen wohl, es könnte ja noch schlimmer kommen, obwohl sie längst am schlimmsten Ort ausharren. Zu Lasten der eigenen Gesundheit und des eigenen Wohlbefindens.
Darum möchte ich abschließend zu einem Experiment einladen.
Die positive Psychologie hat einen sehr pragmatischen Ansatz, Glück zu definieren. Sie definiert es als die gleichzeitige Anwesenheit von
- Zufriedenheit
- Wohlbefinden
- Zuversicht
Fragt Euch also selbst einmal. Auf einer Skala von 1 bis 5, wobei 5 ein vollumfängliches Ja bedeutet. Wie sehr treffen die 3 oben genannten Werte derzeit auf euch zu?
Seid ihr mit der Antwort zufrieden? Wenn nicht, so geht die Dinge an. Ich finde, wie sind uns zu Glück verpflichtet.