Die Kraft des Zuhörens

Tonstudio

In einer Vielzahl an Workshops darf ich derzeit mit diversen Teams daran arbeiten, wie diese miteinander und ihren Kunden arbeiten wollen. Dabei entstehen in den eintägigen Runden zum Ende Regeln, Prinzipien und Werte, die eine zieldienliche Zusammenarbeit untereinander und mit dem Kunden gestalten sollen.

Nach nun 12 Workshops habe ich ca. 80 dieser sogenannten „Agreements“ kennengelernt, welche sich mal ähnelten, mal jedoch auch völlig unterschieden.

Da diese Workshops als Maßnahme des Konzern CEOs angeordnet wurden, hatte ich keine besonders große Erwartung, was die Qualität und Tiefe dieser Agreements angeht. Oft wurde ich bestätigt, einige Male jedoch auch eines Besseren belehrt.

Und darum soll es heute gehen. Nun nach 12 Terminen und 2 Monate nach Antritt meiner Coaching und Moderationsaufgabe blicke ich auf viele Erfahrungen und eine besonders wertvolle Team-Vereinbarung zurück, die aus einer Arbeitsgemeinschaft, geprägt von lauter Silberrücken, bestand. Damit meine ich solche männliche Mitarbeiter, die der festen Überzeugung sind, dass ihr Wort das schwergewichtigste und häufig auch das letzte sein sollte. Ich machte mir den Spaß und visualisierte, dass sich zum Zeitpunkt des Workshops 130 Jahre Konzernerfahrung im Raum befanden. Kein Wunder, dass sich da jeder aufbäumen wollte, allein um nicht unter die Räder zu kommen.

Mir kam das Phänomen in den Sinn, welches viele von uns kennen, die in den besten Jahren mit ihren Kumpels eine Flasche „Hochprozentigen“ samt Softgetränken kauften, um diesen sogenannten Kübel dann gemeinschaftlich zu vertilgen. Nicht selten schmiss man dafür ein zusammen viele Euros in die Runde und schnell war einem bewusst, wie viel man vom „Kelch“ abbekommen müsste, um auf einen guten „Schnitt“ zu kommen. Der Zehner, den man investiert hatte, sollte sich doch bitte lohnen. Also gab man Gas. So wie alle anderen auch, denn auch sie konnten rechnen. Mit dem Resultat, dass diese Abende ob der „Durchlaufzeit“ um bei agilen Begrifflichkeiten zu bleiben, recht schnell in einem Desaster endeten. Verlorene Erinnerungen, ein hohes Maß an Kopfschmerz und in der Rückschau wenig Freude weil wenig Erinnerung lautete nicht selten das Ergebnis.

Zurück in den Workshop

Jenes „Gas“ gaben nun auch die „Silberrücken, denen daran gelegen war, möglichst ausdrücklich, schnell und deutlich zu platzieren, was sie denn zu sagen hatten.

Je länger der Tag fort schritt, desto mehr drängte sich mir das Bild eines Reißverschlussverkehrs auf, in dem es darum geht, ja eine Lücke zu finden, um einzufädeln. Wenn manchmal auch viel zu früh. Die Frage „aus welchen Gründen hört man eigentlich zu?“ ließ mir keine Ruhe mehr.

Und mir kamen 2 Antworten in den Sinn:

  1. Ich höre zu, um ja abzupassen, wann der Gesprächspartner eine Atempause macht, damit ich dann mit meinen geistreichen Gedanken „einfädeln“ , sprich ihm ins Wort fallen kann.
  2. Ich höre zu um des Zuhörers Willen und versuche, das Gute, das Starke und das zu würdigende des Gesagten zu erkennen und wirklich zu verstehen.

Rückblickend bemerkte ich, dass meine besten Ideen eigentlich beim Zuhören entstanden sind. Selten sind sie, da will ich ehrlich sein, auf meinem puren eigenen Mist gewachsen.

Und so formulierte ich meine Wahrnehmung gegenüber der Silberrücken. Nämlich dass ich das Gefühl hatte, ich sei hier als Moderator der Regisseur einer Aufführung und dummerweise seien 8 Hauptdarsteller engagiert worden, die alle darauf drängen, auf die Bühne zu springen, um ja das meiste Scheinwerferlicht abzubekommen. Oder den meisten Applaus?

Kurz, wäre ich nicht fast 1,90 m groß und hätte ein lautes Organ oder gar ein zart besaitetes Wesen, ich wäre untergegangen. Auch diesen Eindruck sprach ich offen aus.

Einmal hörte ich mich sogar einem weiteren Unterbrecher Ende 50 sagen – es war eher ein Rufen – „halt jetzt spreche ich“. Wo war ich hier?

Ein anders Bild. Ich sah mich als Tontechniker in einem Studio, in dem alle Musiker einer Band den Anspruch hatten, die lautesten zu sein. Letztlich teilte ich auch dieses Bild und wir begonnen auf meine Intervention, denn ich war zum Glück der engagierte Coach des Tages, damit zu arbeiten.

Ich bat alle, sich einmal an das „Mischpult“ des Teams zu begeben und mir 2 Fragen zu beantworten, die wir dann in einer Feedbackrunde laut vor allen beantworten wollten.

  1. Als wie laut nimmst du Teammitglied a bis z auf einer Skala von 1 bis 10 wahr? Wo steht der Lautstärkeregler.
  2. Welche Lautstärke würdest du dir für Teammitglied a bis z wünschen, wenn du es einfach so regeln könntest. Würdest du dimmen oder hochregeln?

Beides teilten wir in der ganzen Runde und es gab erstaunlich Erkenntnisse. Einige davon hier nun zusammengefasst:

  • „Feedback tut nicht weh, sobald ein diesbezüglicher Wunsch formuliert wird. Wenn sich ein anderer von mir wünscht, ich solle mich mehr oder weniger beteiligen, so mag das auch mal kritisch sein aber am Ende bleibt der Schmerz aus.
  • „Ich nehme mich ganz anders wahr als es die anderen tun. Es gibt hierbei kein Wahr oder Unwahr sondern nur Versionen/Wahrnehmungen. Sprich, wie so oft keine objektive Wahrheit“. Die Gehörte Rückmeldung kann nur helfen und zum Reflektieren anregen.
  • „Ein Kollege wurde vom Chef in der Runde ganz anders wahrgenommen als von allen anderen.“ Das war besonders interessant, denn es belegte für mich, was ich in einem Vortrag eines Hirnforschers gelernt habe. „Ist der Chef im Raum -so belegen Hirnscans- steht unser Gehirn unter Stress. Daraufhin verhalten sich Menschen anders als ohne die Anwesenheit des Chefs“ Dies erklärte mir auf ganz logische Weise, warum der Chef eben jenen Kollegen als leise empfand, der von den anderen doch als so laut empfunden wurde. Der Chef konnte ja nicht wahrnehmen was passiert, wenn er eben fehlte.

Letztere Tatsache untermauert ein Erfahrung aus meiner Coachingausbildung:

Ein Mensch ist nichts per se. Er verhält sich. Und eben jenes Verhalten ist kontextabhängig. Mal laut mal leise, mal geduldig, mal ungeduldig. Das zu wissen, entspannt aus meiner Sicht.

Als wir nun in der Runde reflektierten, was wir soeben erstaunliches erfahren und erlebt hatten, entstand die so zieldienliche Teamvereinbarung, von der ich eingangs sprach.

Die Priorität unsere Kommunikation liegt im Zuhören, nicht im Reden. Mit dieser Haltung gestalten wir unsere Diskussionskultur.

Fragen also auch wir uns, bevor wir etwas hinaus posaunen.

  • Ist es wirklich wichtig?
  • Ist es interessant oder relevant?
  • Muss es sein?

 

 

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